Epiphone Nighthawk Custom Reissue
Vergleichs-Test: Lutz Wernicke untersucht 3 Modelle, alle gebaut 2012:
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Die Form der Gibson Nighthawk bzw. Blueshawk fand ich schon immer enorm anziehend. Dieser breite runde Unterkörper, das weit ausladende Cutaway, die freche Anordnung der Pickups.... Ein stimmiger visueller Eindruck. Das Ur-Modell wurde ab 1994 bei Gibson gefertigt, hat aber den Sprung ins neue Jahrtausend nicht geschafft. Man nahm die Nighthawk wegen Mißerfolgs sang- und klanglos Ende der 90er wieder aus dem Programm, obwohl ihr durchdachtes modernes Konzept durchaus vielversprechend war. Eine neue Gibson-Gitarre von edler Schönheit, die das herkömmliche Soundmuster von Les Pauls und SGs erweiterte. Doch sie wurde auf dem Markt nicht ausreichend angenommen.
10 Jahre später ließ man die Nighthawk bei der asiatischen Tochterfirma Epiphone wieder aufleben, als „Epiphone NightHawk Custom Reissue“ in den Farboptionen Schwarz, Fire Burst, Honey Burst und Translucent Amber. Gebaut werden diese Gitarren in Indonesien, und nur so ist der unschlagbare Preis von nur 300 EUR zu erklären. Was kann man von solch einer Billig-Gitarre erwarten? Das wollte ich herausfinden und bestellte mir beim Musikhaus Thomann (wegen der wirklich unproblematisch funktionierenden Rückgabeoption) 3 Exemplare in Translucent Amber, Baujahr 2012.
Es fühlt sich schon ziemlich nach Gibson SG an, wenn man den kleinen Korpus umgreift
und trocken spielt. Typisch dafür ist das direkte Ansprechen und Vibrieren des schmalen Mahagony-Bodys. Die Ahorn-Decke ist für den Klang unerheblich, denn sie ist lediglich als dünnes schön gezeichnetes Furnier ausgelegt (bookmatched). Die Deckenlackierung Translucent Amber ist sehr leuchtend-orangen ausgefallen; die Gibson Nighthaws mit derselben Farbbezeichnung waren gelblicher und blasser.
Das Gewicht der Instrumente liegt bei 3,2 KG - ziemlich leicht also.
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Korpus und Hals:
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An den Korpus-Rückseiten sieht man, wieviele Mahagoni-Stücke längs aneinander geleimt wurden. Meine vorliegenden 3 Gitarren sind unterschiedlich zusammengesetzt: 3-, 4- und 5-teilig. Man geht hier also sehr ökonomisch vor, um den Holzvorrat optimal auszunutzen.
Die 2-teiligen Ahorndecken sind alle wunderbar gearbeitet und an den Rändern eingefasst - jeweils mit individueller Maserung.
Die Korpus-Dicke incl. des dünnen Deckenfurniers variiert von 3,7 bis 4,4 cm. Um ein anschmiegsameres Spielgefühl am Oberbauch zu erreichen, gibt es - ähnlich einer Stratocaster - auf der Rückseite eine gewölbte Ausfräsung. Hinter dem Steg (Bridge) werden die Saitenenden - hier in Telecastermanier - durch den Korpus geführt und in Metallhülsen gehalten. Das ergibt eine feste korpusgebundene Saitenspannung.
Der Hals besteht aus einem Stück Mahagoni mit aufgeleimtem Rosewood-Griffbrett, dessen Ränder weiß eingefasst sind (binding). Das Halsprofil wird von Epiphone als „Slim Taper D“ bezeichnet, ist aber dafür schon ziemlich pfundig geraten. Die Schultern sind nämlich stark ausgeprägt und auch nicht sehr elegant-handschmeichlerisch geformt. Der Hals schmiegt sich nicht sofort in die Hand des Spielers an, man muss das Feeling dafür erst mal erarbeiten. Es ist kein „schneller“ Hals. Aber er liefert durch seine Masse entscheidenden Anteil am Gesamtton.
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Kopfplatte und Mechaniken:
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„Open Book“-Headstock (14 Grad angewinkelt)
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Die Kopfplatte der Epiphone Nighthawk wird als extra Holzteil plan an den Hals angesetzt - knapp unter den Mechaniken. Diese materialsparende Bauweise der „Schäftung“ ist bei preiswerten Gitarren durchaus üblich, meistens jedoch verzahnt ineinander geschoben auf Höhe des 1. oder 2. Bundes.
Die Grover-Mechaniken sind ganz solide, halten aber anfangs die Stimmung nicht so zuverlässig. Das könnte sich aber mit der Zeit noch eingrooven. Auf jeden Fall sollte man die Muttern der einzelnen Wirbel leicht nachziehen (bei losen Saiten oder beim Saitenwechsel!).
Am besten feilt man auch die Sattelkerben noch etwas nach, obwohl das von Werk aus schon ziemlich gut gemacht wurde. Überhaupt ist es überraschend, auf welch akzeptablem Level solch eine preiswerte Gitarre gefertigt, eingestellt und ausgeliefert wird.
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geschäftete Kopfplatte mit Grover Mechaniken
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Pickups und Elektrik:
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- sauber strukturiertes Elektrikfach
- lineares Volumen-Poti 500 kOhm - Ton-Poti mit Zugraster für PU-Split - billiger, anfälliger 5-Wahl-Schalter
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Die Unterseite des Mittel-Pickups mit Barrenmagneten und Abschirmung - nicht-magnetische Polstifte - unsaubere Wicklungs- und Lötarbeiten
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- die Saitenführung über die Pole verläuft nicht optimal.
- bei den 3 Gitarren variieren die Winkelstellungen der Bridge-Pickups
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Eine Besonderheit der Epiphone Nighthawk liegt in ihrer Soundvielfalt.
Die Humbucker an Hals und Steg können über das Ziehen des Ton-Potis gesplittet werden. Nur eine der zwei Spulen ist dann aktiv (übrigens jeweils die äußere), und man hat den Single-Coil-Sound als Option: Direkter und schärfer, aber eben auch leiser wegen des geringeren Outputs. Über einen 5-Stufen-Schalter werden die Pickup-Kombinationen abgerufen. Mit den Split-Optionen ergeben sich insgesamt 9 verschiedene Sounds.
Der Hals-Pickup ist dem Gibson Firebird Mini Humbucker nachempfunden: Kräftig gewickelte Spulen in schmalerem Gehäuse.
Der Mittel-Pickup ist per se als Single-Coil-Variante gebaut, jedoch ohne magnetische Polepieces (wie etwa bei Fender-Pickups). Hier geben 2 schmale Barrenmagneten unter der Spule der Induktion Zunder. In der Höhe läßt sich dieser Tonabnehmer leider nur sehr eingeschränkt verstellen. 2,5 mm zur Bass-Saite und 2 mm zur Treble-Saite sind ein guter Kompromiß. In der Balance zu den anderen Pickups ist er dann bei Singlecoil-Schaltung auffallend laut und bei Humbucker-Betrieb etwas zu leise. Anders geht es aber nicht, und man lernt bald, die Eigenart des mittleren Tonabnehmers richtig einzusetzen.
Der „Slanted Bridge-Humbucker“ ist noch schräger positioniert als der Bridge-Pickup einer Strat oder Tele: der Abstand vom Pickup-Pol der tiefen E-Saite zum Reiter beträgt ganze 5,8 cm. Viel Raum, um beherzt die Saiten ganz hinten anschlagen zu können. Die Nighthawk eröffnet uns mit diesem Bereich einen ziemlich unentdeckten Spielraum.
Werte der Pickups (/=splitted): Neck 16/8 kOhm Middle 7,7 kOhm Bridge 14/7 kOhm
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Soundcheck:
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Die Epiphone Nighthawk ist tendenziell basslastig. Es sind die unteren Mittenfrequenzen, die viel Raum einnehmen. Allein gespielt wirkt das erstmal sehr angenehm - man hat ein volles warmes Spielgefühl. In den Singlecoil-Stellungen wird es zwar dünner, aber nie richtig scharf. Die Nighthawk hat keine spitzen Höhen, denn die Ahorndecken-Komponente oder eine sonore Härte von altem Holz fehlt völlig. Bei manchen Tönen kann's ein wenig klingeln, doch allgemein erfolgt die Höhenwiedergabe immer cremig, z.B. sind die parallelen Zwischeneinstellungen viel weicher, als man es etwa von der Stratocaster her kennt. Klare Akkorde oder Melodielinien im tonprägenden Hochmittenbereich erklingen weniger stringend und eher abgefedert.
Im Zerr-Betrieb geht die Nighthawk sofort weich-singend zur Sache, das kann aber leicht zu beliebig klingen. Hier gilt es, ein Instrument zu finden, das schon im Primärton eine bestimmte Mittenfrequenz liefert, die den individuellen Charakter ausmacht. Das Ton-Poti oder die Klangregelung des Verstärkers dienen eher zur Feinabstimmung und können nur bearbeiten, was schon da ist. Immer bemerkbar macht sich das lange Sustain, das sich mit jeder Les Paul messen kann. Da kommt Spielfreude auf!
Die Nighthawk ist tatsächlich eine Mischung aus Gibson und Fender. Man kann die Fender-typische Soundvielfalt von 3 Singlecoil-Pickups erreichen und ebenso eine Schaltung mit 2 Humbuckern, wie man sie auf den bekannten Gibson-Instrumenten findet. Die Bauweise von Mahagoni-Korpus mit eingeleimtem Mahagoni-Hals weist ebenfalls in Richtung Gibson. Steg und Tailpiece wiederum erinnern an Fender, ebenso die Methode, die Saiten durch den Korpus auf die Rückseite zu ziehen („String-Thru-Body“ wie bei der Telecaster). Hinsichtlich der Mensur stehen 648 mm (25,5“) den sonst bei Gibson gängigen 628 mm (24,75“) gegenüber, und allein deswegen wird die Nighthawk nie wirklich wie eine Les Paul oder SG klingen können. Die längere Mensur ergibt einen insgesamt stärkeren Saitenzug, mit dem Ergebnis eines drahtigeren und strafferen Tons. Eine längere Mensur begünstigt einen transparenteren und frischeren Sound, anders als eine kurze Mensur, bei der der Klang mehr in Richtung warm und rund geht. |
Saiten:
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Und was sagt Dr. Epiphone dazu?:
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Die werksmäßig aufgezogenen Saiten (10er Stärke) sind von der billigsten Sorte und können gar nicht zeigen, was eigentlich in der Gitarre steckt. Die Auslenkung beim Schwingen ist so schlabberig, dass besonders die Bass-Saiten in den unteren Lagen schnarren. Man befürchtet dann schnell, dass die Bünde nicht richtig abgerichtet sein könnten, doch ist das bei meinen 3 Test-Gitarren nicht so. Die Medium-Bünde sind erstaunlich sauber abgerichtet und deren Kanten glatt geschliffen. Und mit neuen Qualitätssaiten stimmt dann auch die Saitenspannung.
Übrigens empfehle ich, 'mal einen einen Satz 0095-044 auszuprobieren (z.B. D'Addario EXL120+). Ich finde, gerade bei der langen Fender-Mensur ist es eine ideale Zwischengröße, wenn man das Saitenziehen erleichtern möchte, ohne groß an Ton zu verlieren.
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Auf der Frankfurter Musikmesse 2013 befragte ich
„Dr. Epiphone“ alias Will Jones zur Epiphone Nighthawk Custom Reissue:
„Diese Pickups sind mit AlNiCo-Magneten bestückt. Epiphone hat die Pickups ja generell verbessert, z.B. genießen die neuen Pro-Bucker Pickups, die Gibsons Burstbucker nachempfunden sind, eine gute Reputation. In Indonesien, wo auch die Nighthawks gebaut werden, überwachen Epiphone-Kontrolleure die Qualität der Produktion!“
Aha - na dann....
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Die 3 Nachtfalken im direkten Vergleich:
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Klang:
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Wie auch beim Fender Lite Ash Stratocaster Test zeigt sich, dass auch diese Epiphone-Gitarren (aus derselben Modellreihe, identischer Serie und sogar aus einem Auslieferungsmonat) nur ähnlich, aber nicht gleich klingen. Die drei Nachtfalken weisen ganz feine Unterschiede in der Betonung der hochmittleren Frequenzen auf. Diese Mitten sorgen für den Anteil der Drahtigkeit im Sound, bilden die Formanten und das Kehlige der Gitarrenstimme.
Bei 2 Nighthawks fällt die Energie der D-Saite ziemlich ab, so dass die G- und H-Saite zu sehr herausstechen. Beim Übergang von den umsponnenen zu den blanken Saiten gibt es immer einen Klangfarbenwechsel. Um eine Ausgewogenheit zu erreichen, sollte die D-Saite drahtig-stramm klingen und die G-Saite nicht zu fett. Dieses Problem gibt es wohl bei allen E-Gitarren.
Was auch auffällt, ist die äusserst unterschiedliche Resonanz der 3 Nighthawks im Bassbereich. Die Grundtöne der ersten Oktave von E bis E auf der E- und A-Saite klingen auf Modell 1 fett, weich und schwammig, auf Modell 2 voll, aber nicht zu überbetont, und auf Modell 3 dünn und unterbelichtet. Dessen Neck-Pickup bekommt wohl nicht genug Saitenenergie (dem Primärton fehlen Bässe) und fällt dadurch lautstärkemäßig ziemlich ab. Selbst mit Höherstellen des Pickups lässt sich der Verlust nicht richtig ausgleichen. Die Gitarre bringt zwar interessante kehlige Mitten heraus, die mit Verzerrung intensiver schneiden als bei den beiden anderen Gitarren. Doch werden die Töne insgesamt nicht so gut unterfüttert. Könnte diese signifikante Unausgeglichenheit daher rühren, daß die 5 beliebig verbauten Mahagoni-Teile nicht zueinander passen und sich in der Schwingung gegenseitig behindern? |
Nighthawk 1: |
- Body 4-teilig (schönste Ahorndecke der drei: wunderbar fein und gleichmäßig gezeichnet)
- besonders hervortretende Resonanztöne: A auf 2. Bund/G-Saite und D auf 3. Bund/H-Saite
- Klang der Grundtöne untere Oktave E-E auf E-/A-Saite: fett, weich und schwammig
- Konstruktionsfehler: der 5-Wahlschalter ist wackelig und hat Aussetzer
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Nighthawk 2: |
- Body 3-teilig
- Besonders hervortretende Resonanztöne: E auf 2. Bund der D-Saite
- Klang der Grundtöne untere Oktave E-E auf E-/A-Saite: voll, aber nicht zu überbetont
- Konstruktionsfehler: schiefe Schraubenfassungen des Mid-Pickup, nicht senkrecht zu den Saiten
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Nighthawk 3: |
- Body 5-teilig
- Besonders hervortretende Resonanztöne: keine - mittig enges Klangbild ohne Leben
- Klang der Grundtöne untere Oktave E-E auf E-/A-Saite: dünn und unterbelichtet
- Konstruktionsfehler: Stegplatten-Position zu schief, die Abweichung ist kaum akzeptabel
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Abschließende Bemerkungen: |
Es zeigt sich mal wieder: Es gibt bei Modellen gleicher Bauart durchaus unterschiedlich klingende Instrumente. Es lohnt sich wirklich, verschiedene Modelle zu vergleichen, um die Stimme zu finden, die man sucht.
Die Epiphone Nighthawk ist eine billige Gitarre aus Massenfertigung mit erstaunlichen Individualitäten. Was auffällt ist, daß einheitliche Masse nicht genau eingehalten werden, Pickuprahmen- und Stegplattenpositionen können bis zu mehreren Zentimetern voneinander abweichen, obwohl die Gitarren insgesamt schon ziemlich stimmig eingestellt sind. Beim Halsumfang gibt es ebenfalls leichte Schwankungen zwischen den drei Test-Modellen. Alle 3 Nighthawks haben kleine Konstruktionsfehler. Potis und Schalter kann man wechseln, schiefe Fräsungen und Schraubenfassungen aber nicht.
Gitarren ab ca. 600 € liefern in der Regel einen besseren und einheitlicheren Qualitätsstandard. Bei der Epiphone Nighthawk hat man die Chance, unter mehreren Modellen eine zu finden, die in sich (zufällig) gut abgestimmt sind und deren Bauteile gut miteinander reagieren. Man braucht nur Zeit, um dies herauszufinden. Die Epiphone Nighthawk könnte übrigens ideal für Slide-Spieler sein: satter Ton, nicht zu höhenlastig, flache und breite D-Halsform günstig für den Unterdaumen.
Ich bin wirklich begeistert , dass es heutzutage für wenig Geld soo gute Gitarren gibt. Die Epiphone Nighthawk ist ein gutes Beispiel dafür. Mann, wenn wir in 70ern so ein Instrument hätten spielen können, ohne uns finanziell zu übernehmen! |
Empfehlenswerte Modifikationen: |
Durch kleine handwerkliche Nacharbeiten und Feineinstellungen (s.o.) wird die Epiphone Nighthawk zu einem absolut brauchbaren Instrument - vorausgesetzt, der Primärton stimmt. Den 5-Wahlschalter sollte man durch ein Qualtätsteil ersetzen, ansonsten würde ich erst einmal nichts verändern oder austauschen. Natürlich müssen neue Saiten drauf, dann aber los und spielen! Die Gitarre wird unter Deinen Händen aufblühen, wenn Du sie forderst, einen passenden Verstärker findest und den Ton richtig formst. |
Lesen Sie auch den erhellenden Fender Stratocaster Lite Ash Test !
"Keine Gitarre klingt wie die andere. Ob edel oder preiswert, bei gleichen Materialien und sogar in derselben Modellreihe !"
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